Sonntag, 2. Oktober 2022

Perspektivwechsel - Leben im offenen Vollzug

Ich melde mich hier mit einem Sondereintrag. Keine tollen Urlaubserlebnisse oder dergleichen, sondern mal was anderes. Ich muss einfach mal rausrotzen.

Seit vergangenem Donnerstag (heute ist Sonntag) befinde ich mich zum zweiten mal in Quarantäne. Beim ersten mal im Frühjahr war alles noch ein wenig anders. Ich habe versucht mich in der Wohnung von allen zu distanzieren und viel Zeit auf dem Balkon verbracht, sowie dauerhaft Maske getragen. Diesmal war es für den Balkon schon etwas zu kalt und ich zog zunächst in den Keller. Da gibt's noch einen Souterrain-Raum, der nicht übermäßig kalt war und den ich dann erstmal genutzt habe. Unsere Vermieterin meinte aber, dass ich lieber die Dachgeschosswohnung nutzen sollte. Allein schon wegen der Nutzungsmöglichkeit eines Badezimmers, sowie eines Bettes natürlich eine gute Alternative.

Ich weiß nicht, wie es Menschen geben kann, die Corona ohne Symptome haben. Ich fühlte mich die ersten beiden Tage wieder unfassbar schlecht. Nicht ganz so wild wie im Frühjahr, aber dennoch sehr anstrengend. Und ich bin wirklich jemand, der selten krank ist oder gar eine Männergrippe hat. Wie auch immer.

Ich werde gut verpflegt durch meine Frau und insgesamt geht es mir auch immer besser. Tatsächlich ist es aber auch so, dass es selbst heute im Laufe des Tages "immer schlechter" wurde. Ich huste relativ viel und habe wirklich nervige Atemprobleme, wenn ich hier ein bisschen umhergehe. Was aber tatsächlich wirklich schlimm ist, ist die Trennung von den anderen. Teilweise höre ich sie mal aber insgesamt ist es echt schlimm, nicht mit den anderen zu sein. Heute stand ich lange (also immer so lang es ging in Etappen) am Fenster und habe wie ein Freak in den Garten geschaut, um meinen Kindern beim Spielen zuzuschauen. Immer unauffällig, damit vorallem mein kleiner (2J.) nicht mitkriegt wo ich bin. Es ist echt schrecklich. Zu allem Überfluss geht es Koni auch schlecht. Zum Glück kein Corona, aber sie ist ja ohnehin angeschlagen aufgrund ihrer chronischen Erkrankung und jetzt kommt auch noch eine akute hinzu. Und ich kann nichts machen...oder gehe eben das Risiko ein, die anderen anzustecken.

Ich sitze hier also hilflos und machtlos. Bisher funktioniert das isolieren gut, denn keiner hat was. Meine dummen Tests sind trotzdem weiterhin positiv und auch wenn ich mir trotz des eigenen nicht optimalen Zustandes  zutrauen würde, ein bisschen was zu erledigen, will ich eben auch nicht, das alles für die Katz ist/war.

Ich bin ja mehr oder minder freiwillig unfreiwillig hier...fast wie im offenen Vollzug. Aber ich kriege einfach keinen Ausgang oder kann Besuch empfangen. 

Samstag, 30. Juli 2022

Tatü-tata die Spielzeugfeuerwehr ist da!

Während Deutschland über Layla diskutiert - oder vielleicht auch nicht mehr, kriege hier wenig mit - haben meine Kinder sich einen anderen Ballermann-Hit ausgesucht. Dort geht es nicht um Prostitution, sondern um Schienenfahrzeuge, die aufgrund einer Fehlkonstruktion nicht in der Lage sind ihre Geschwindigkeit entscheidend zu verringern. Wird direkt mitgesungen, obwohl das Thema ja eigentlich ein tragisches ist. Ich will euch aber auch nicht mit Geschichten meiner Kinder langweilen. Wobei ich mich generell frage, warum ihr immer so heiß auf diese Blogeinträge seid, die ja eigentlich nicht wirklich spannende Inhalte bieten. Wie auch immer.

In Polen ist es so, dass Spielzeuge im besten Falle batteriebetrieben sind (komisch, dass man hier keine E-Autos sieht). Diese Spielzeuge können sich dann bewegen, blinken oder nervige Geräusche machen. Häufig können sie auch alles zusammen. Ich weiß, das gibt's auch bei uns, aber ich habe das Gefühl, dass die Anzahl dieser Spielsachen hier einfach größer ist. So bin ich also alle möglichen Geräusche gewohnt. Als ich gestern beim Frühstück saß wunderten mich also die Sirenengeräusche gar nicht. Auch wenn ich sie vorher noch nicht gehört habe. Das waren so ziemlich alle Sirenengeräusche die ihr euch bei Einsatzfahrzeugen vorstellen könnte. Vom typischen Martinshorn, welches wir gewohnt sind bis hin zu allem was man sonst aus dem TV gewohnt ist. Alles kurz nacheinander. Nur wurde das plötzlich immer lauter, bis sich herausstellte, dass das die echte Feuerwehr war. Ich weiß nicht ob der "Klingelton" durch einen Feuerwehrmann gesteuert wurde, der dann vermutlich den coolsten Job der Welt und unfassbar viel Spaß haben muss, oder ob das vom Band kommt. 

Wo wir gerade bei coolen Jobs sind: Eine der größten und beliebtesten Supermarkt-Ketten in Polen ist "Biedronka", was "Marienkäfer" heißt. Ich weiß nicht, ob es in Polen auch ein Beamtentum gibt, aber wenn, dann streitet sich der Marienkäfer mit dem Staat um die besten Leute. Die Kassierer*inne...nee wartet in Polen gibt's nur zwei Geschlechter und da legen die auch wert drauf. Die Kassiererinnen arbeiten in einem Tempo, welches seines gleichen sucht. Hier müsst ihr wirklich beim Einkauf das MHD im Auge behalten, weil möglich ist, dass die Lebensmittel verdorben sind, wenn ihr endlich an der Reihe seid. Warum der Discounter nicht "Schnecke" heißt, weiß nur der Gründer der vermutlich mehrfach alle Konsonanten und keinen Vokal in seinem Namen trägt.

Übrigens gibt es auch in Polen Lebensmittel die knapp geworden sind. Anders als bei uns, ist und war das allerdings nicht Mehl und auch Öl gab es wohl immer genug. Nein, hier fehlt es an Zucker. Ich habe tatsächlich bei jedem Supermarkt-Besuch (ich liebe ausländische Supermärkte!) darauf geachtet, aber nirgends war Zucker zu bekommen. Wie ihr euch sicher erinnert, ist die Konsequenz, dass die Supermärkte dann die Verkaufsmenge reduzieren. So gab es nur eine Packung Mehl oder eine Flasche Öl, als wir den Mangel hatten - diesen Kniff kennt man auch hier. So könnt ihr pro Einkauf nur 5 Kilo Zucker kaufen.


Dienstag, 26. Juli 2022

Jesus und die Maschinengewehre

Ich möchte diesen Eintrag mit der Erfolgsnachricht beginnen, dass das verschwundene Kuschelkissen wieder aufgetaucht ist. Alle haben gesucht. Mehrfach. Tagelang. 

Am Sonntag waren wir bei einer riesigen Kirchenveranstaltung - möglicherweise habe ich da in einem früheren Blogeintrag schonmal drüber geschrieben, weil wir da in der Vergangenheit schoneinmal waren. Das Ganze fand auf einem Kirchengelände mit Friedhof und viel Freifläche statt. Quasi ein Polski Open Air. Wer etwas auf sich hält, hat seinen Klappstuhl mitgebracht. Nach einer gigantischen Messe die über Lautsprecher bis in die hinterletzte Ecke übertragen wird, geht es dann auf das Festivalgelände wo in erster Linie lose Süßigkeiten, Spielzeug, Kirchenmerchandise und Kampfmesser in allen Größen und Formen verkauft werden. Mein Lieblingsort war der, wo Jesusbilder direkt neben unzähligen Spielzeugmaschinengewehren verkauft wurden. Kurioserweise kommt diese Veranstaltung ohne wirkliche Fress- und Bierstände aus.

Parallel fand aber in der Innenstadt ein dreitägiges Stadtfest statt, zu dem wir nach dem Mittagessen dann auch gefahren sind. Dort gab es dann das kälteste Tyskie aller Zeiten. Leider war es auch sehr gestreckt, was mir in der brennenden Sonne allerdings relativ egal war. Selbst ein verwässertes Tyskie ist intensiver als jedes Kölsch. Die Futterstände boten allerhand leckeres Fastfood, welches jedoch praktisch 1:1 deutsche Kirmespreise hatte. Das hinterlässt schon die Frage, wie sich der Ottonormal-Pole das leisten soll. Ich meine mal gelesen zu haben, dass das monatliche Durchschnittseinkommen bei knapp 1000€ netto liegt. Der Preis für einen Liter Super liegt aktuell etwa bei umgerechnet 1,60€ - ja günstiger als bei uns, aber wenn man bedenkt, dass man hier auf dem Land noch viel angewiesener auf ein Auto ist, fragt man sich wirklich, wie die Menschen hier das teilweise schaffen.

Ich habe dem Mann der Cousine meiner Frau eine Flasche "Southern Comfort" mitgebracht. Kannte er nicht, mochte er sofort. Das erste Glas hab ich noch gemischt, das zweite machte dann er und ich hatte direkt die Lampen an. 50:50 wird gemischt, sind schließlich zwei Getränke und das muss ausgeglichen bleiben.

Sonntag, 24. Juli 2022

Warmes Bier - nicht mit mir!

Ein Jahr ist vergangen seit ich zuletzt etwas über meine Abenteuer in Polen geschrieben habe. Das klingt nach einer langen Zeit, hat aber den ganz einfachen Grund, dass es auch ein ganzes Jahr her ist, seit wir das letzte Mal hier waren. 

Es weht eine leichte Brise, ich sitze im Schatten, von drinnen zieht der feine Duft von Rouladen hinaus. Die Vögel zwitschern, mein Sohn schnarcht und das letzte Auto ist vor etwa 15 Minuten hier vorbeigefahren. Man könnte meinen, es hat sich hier eigentlich nichts verändert und abgesehen von vielen Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen hier auf dem Hof, ist das auch so. Es gibt jetzt eine Solaranlage auf einem Dach und der Mann der Cousine meiner Frau überprüft täglich auf seinem Smartphone die Leistung dieser Anlage und der Wärmepumpe, die auch neu ist. Der gegenüber sind seine Schwiegereltern aber noch misstrauisch und fürchten im Winter zu erfrieren. Kleine Parallele zum kommenden Winter bei uns - mit dem Unterschied, dass ich nicht glaube, dass hier auch nur eine Sekunde gefroren wird. Auf jeden Fall cool einfach so Duschen zu können, ohne dass Tante zuvor ein paar Holzscheite entzünden muss.

An unserem ersten Abend gab es auch direkt ein kleines Lagerfeuer mit Wurst am Stiel. Gestern waren wir dann auf dem Geburtstag einer anderen Cousine. Und die lebt mal so richtig auf dem Bauernhof. Große Silos, Schweinegequieke und der typische Hauch von Schweinearsch in der Luft. Wir befanden uns draußen, weil dort einfach mehr Platz ist als drinnen. Und was soll ich sagen, mit der Zeit riecht man die Schweine auch nicht mehr. Man gewöhnt sich dran. Eine andere Gewohnheit, die ich weiterhin nicht nachvollziehen kann und die ich auch niemals entwickeln werde, ist der Hang zu warmen Bier. Genau eins habe ich mir da gegönnt, mehr geht nicht. Lieber ein kaltes Krombacher als ein warmes richtiges Bier. Ich weiß, harte Worte von mir, aber ich kann es nicht anders umschreiben. 

Genauso wenig wie an kühles Bier, glaubt der Haushalt dieser anderen Cousine an Fliegengitter. Schon bei uns ja für viele ein Muss, so sind die Teile natürlich auf dem Land und gerade da wo Viehzucht betrieben wird umso wichtiger. Hier entschied man sich für einen dicken Vorhang an der Haustür, der zwar die Fliegen draußen hielt, dafür aber auch keinen Sauerstoff und keine Luft generell hineinließ. Ich glaube uns hat es hier, bei der anderen Cousine schon gut getroffen. 

Wir gehen jetzt mal weiter das Kuschelkissen "Kiss" meines jüngsten Sprösslinges suchen, das er verbummelt hat und niemand von uns bislang finden konnte. Könnten noch harte Tage für ihn werden...naja und damit auch für uns.